Kinderlobby Schweiz

Die Kinderlobby Schweiz setzt sich gemeinnützig für eine Gesellschaft ein, in der Kinder als gleichberechtigte Partner mitwirken – dazu gehört auch das Wahlrecht ab Geburt. Wir sprachen mit Thomas Handschin, pensionierter Ökonom und Vorstandsmitglied der Kinderlobby Schweiz.

 

Herr Handschin, wie soll das Kinderstimmrecht in der Schweiz konkret aussehen?

Sobald ein Kind geboren ist, erhält es – wie jede Bürgerin und jeder Bürger – sämtliche Unterlagen zu den Wahlen und Abstimmungen. Für die Stimmabgabe haben die Eltern ein Stellvertretungsrecht, das sie so lange wahrnehmen dürfen, bis das Kind seine eigene Meinung einbringen will. Selbstverständlich können die U18 dann auch Volksinitiativen und Referenden starten, um ihre spezifischen Anliegen vor das Volk zu bringen. Ich freue mich auf den frischen Wind im schweizerischen Politgebälk.

 

Und was würde sich dadurch ändern?

Sobald das Kinderwahlrecht in der Schweiz eingeführt wird,  vergrössert sich „der Souverän“ um 20%. Keine Partei kann es sich leisten, den grösser gewordenen Wählerkuchen jenen Parteien zu überlassen, die mit kinder- und familienfreundlichen Programmen um die jüngste Wählerschicht buhlen. Endlich werden die bisher üblichen familienfreundlichen Sonntagsreden vor Wahlen durch Taten ersetzt. Damit wird ein zusätzliches Kind kein Armutsrisiko mehr, sondern eine Bereicherung für Familie und Gesellschaft.
Weil die Schweiz jährlich vier Abstimmungen kennt, in denen sich die Stimmenden zu Gesetzesvorlagen auf Gemeinde-, Kantons- und Bundesebene äussern, nimmt die Gefahr, dass die Jungen durch die Alten überstimmt werden, dank Kinderstimmrecht deutlich ab. Bürgerinitiativen werden dann auch von Jungen lanciert, so dass sie nicht mehr sagen müssen, „die in Bern“ täten sowieso, was sie wollten. Und wenn ein vom Parlament beschlossenes Gesetz die Kinder benachteiligt, können diese das Referendum dagegen ergreifen, damit es zur Volksabstimmung kommt.

 

Egal ob in Deutschland oder in der Schweiz – immer wieder heißt es, Politik würde junge Menschen doch eh nicht interessieren.

Der Schweizer Jugend ist oft politisches Desinteresse vorgeworfen worden. Es gibt zwar vielerorts Jugendparlamente, doch haben diese zu wenig Einfluss auf die Realpolitik. In jüngster Vergangenheit haben die Schweizer U18 deutlich bewiesen, dass sie politische Zusammenhänge nicht nur sehen, sondern auch bereit sind, für ihre Überzeugungen auf die Strasse zu gehen.
So geschehen in mehreren Städten im April 2017, wo die Schüler am schulfreien Mittwochnachmittag gegen Streichungen im Bildungswesen demonstriert haben. Am extremsten war der Kanton Luzern: Hier wollte die Politik die Unternehmenssteuern senken und die Mindereinnahmen mit einer zusätzlichen Ferienwoche für die Schulen kompensieren. Dies ausgerechnet im Kanton mit den tiefsten Unternehmenssteuern der Schweiz. Den Schülern platzte die Hutschnur, 1000 von ihnen nahmen am Umzug gegen die unverantwortlichen Politiker teil, die wohl nicht damit gerechnet hatten, dass die Schülerinnen und Schüler prioritär wegen des Lernens zur Schule gehen wollen.
Nach „Fukushima“ strömten die Jungen  im Mai 2011 zu Tausenden in die Hauptstadt, um mittels Umzug lautstark den Ausstieg aus der Atomkraft zu verlangen. Dieser „Schülerstreik“ war ein Grosserfolg: Am Tag danach beschloss die schweizerische Regierung, sich von der Kernkraft zu verabschieden.

 

Kritiker befürchten, dass Eltern die stellvertretenden Stimmen ihrer Kinder eigennützig verwenden würden. Warum glauben Sie, dass ein Kinderstimmrecht in der Schweiz zu mehr Nachhaltigkeit führen würde?

Eltern wünschen nur das Beste für die Zukunft ihrer Kinder. In der Politik sehe ich daher keinen Graben zwischen Eltern und ihren unter 18jährigen Kindern, sondern vielmehr zwischen Alt und Jung. Die Eltern stehen ja voll im Berufsleben und damit näher bei den Kindern als bei den Rentnern. Dafür spricht, dass Gemeinden mit hohen Kinderzahlen eher für eine nachhaltig bezahlbare Sozialversicherung stimmen. In den letzten Jahren sind die Schweizer Schülerinnen und Schüler für zwei nachhaltige Anliegen auf die Strasse gegangen. So fordern die Jungen eine nachhaltige und verantwortungsbewusste Politik, damit ihr Land auf Dauer lebenswert bleibt. Schliesslich wissen sie, dass sie noch gut 70 Jahre vor sich haben.
Mit ihrem Einsatz haben die Jungen bewiesen, dass sie mit der Zukunft verantwortlicher umgehen können als viele Politiker. Der Schluss liegt nahe: Die Demokratie darf sich auf die Kinder freuen!

 

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Mehr über die Kinderlobby Schweiz inklusive der Broschüre „one child – one vote!!“ finden Sie hier.

 

2017-05-31T11:09:52+01:00