Wahlrecht ab Geburt – Einige rechtlichen Klarstellungen

Die Konzeption unseres Gemeinwesens basiert als Demokratie darauf, dass Akte der Staatsgewalt auf die Mehrheit der Bürger, die der Staatsgewalt unterworfen sind, zurückgeführt werden können und dadurch legitimiert werden. Kinder, Ausländer und betreute Personen haben dennoch nach derzeit geltender Rechtslage kein Wahlrecht zum Deutschen Bundestag. Mangels eines Wahlrechts ab Geburt werden immerhin circa 20 Prozent der Bevölkerung von einem Wahlrecht ausgeschlossen. Kinder sind damit die größte Gruppe, denen ein Wahlrecht vorenthalten wird. Wir wollen das ändern und möchten ein Wahlrecht ab Geburt einführen.

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Wussten Sie, dass…

es verschiedene Möglichkeiten der Umsetzung eines Wahlrechts ab Geburt gibt?

es rechtlich gar nicht so eindeutig ist, dass es für ein Wahlrecht von Geburt eine Verfassungsänderung braucht?

der Verfassungsgrundsatz der Allgemeinheit der Wahl durch ein Wahlrecht ab Geburt besser verwirklicht wird?

der Verfassungsgrundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl nicht verletzt wird?

der Verfassungsgrundsatz der Freiheit der Wahl sogar besser verwirklicht werden kann?

der Verfassungsgrundsatz der Geheimheit der Wahl nicht stärker als zulässig beeinträchtigt wird?

der Verfassungsgrundsatz der Höchstpersönlichkeit der Wahl einem Wahlrecht ab Geburt nicht entgegensteht?

der Verfassungsgrundsatz der Gleichheit der Wahl besser verwirklicht werden kann?

ein Wahlrecht ab Geburt definitiv kein verfassungswidriges Pluralwahlrecht darstellt?

das Wahlrecht ab Geburt ein Stellvertretermodell ist und gerade kein Treuhändermodell?

die sogenannte Ewigkeitsgarantie in Art 79 Abs 3 GG dem Wahlrecht ab Geburt nicht entgegensteht?

ein Wahlrecht ab Geburt nicht nur zum Bundestag, sondern auch zu den Landtagen und zum Europaparlament möglich sein sollte?

es im Kirchenrecht bereits ein Wahlrecht ab Geburt gibt?

Sie diese Überlegungen zum Wahlrecht ab Geburt auch noch in Buchform genauer nachlesen können?

Wussten Sie, dass es verschiedene Möglichkeiten der Umsetzung eines Wahlrechts ab Geburt gibt?

Es können mindestens vier verschiedene Modelle zur Realisierung eines Kinderwahlrechts beziehungsweise eine Wahlrechts ab Geburt diskutiert werden. So kann erstens die Herabsetzung des Wahlalters von 18 Jahren auf ein niedrigeres Alter in Frage kommen. Zweitens könnte das „originäre Minderjährigenwahlrecht“, das auf die Streichung jeglicher unteren Altersgrenze abstellt und mit Rechtsfähigkeit auch Wahlrechtsfähigkeit festschreibt, vertreten werden. Unklar bleibt bei diesem Konzept aber zum Beispiel, wie ein Säugling faktisch wählen soll. Drittens kann das originäre Elternwahlrecht, das Eltern bei Wahlen für jedes Kind zusätzliche Stimmen gibt, genannt werden. Dies dürfte als Pluralwahlrecht verfassungswidrig sein. Schließlich gibt es viertens das „stellvertretende Elternwahlrecht“, wonach den Minderjährigen das Wahlrecht zukommt, dieses aber von den Eltern als gesetzliche Stellvertreter, im Interesse und im Sinne des Kindes, auszuüben ist.

Von den verschiedenen rechtlichen Möglichkeiten, ein Wahlrecht ab Geburt einzuführen, erscheint das sogenannte Stellvertretermodell vorzugswürdig. Hierbei sind die Kinder ab Geburt Inhaber des Wahlrechts, welches die gesetzlichen Vertreter, also die Eltern, als Wahlrechtsausübungsberechtigte bis zu einem gewissen Alter der Kinder für diese ausüben. Die Kinder können nach ihrem eigenen Ermessen das Wahlausübungsrecht durch Erklärung gegenüber dem Wahlleiter zum Beispiel bereits ab 14 an sich ziehen und selbst wählen. Genau um dieses Modell geht es unserer Initiative.

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Wussten Sie, dass für ein Wahlrecht von Geburt an nach überwiegender Meinung der Juristen eine Verfassungsänderung gefordert wird, obwohl dies rechtlich gar nicht so eindeutig ist?

Um ein Kinderwahlrecht in Form des Stellvertretermodells in der Bundesrepublik Deutschland bei der Wahl zum Deutschen Bundestag einzuführen, müsste nach Auffassung der meisten Juristen Art. 38 Abs. 2 Satz 1 GG abgeschafft werden, der lautet: „Wahlberechtigt ist, wer das 18. Lebensjahr vollendet hat (…).“ Danach wäre also eine Einführung des Wahlrechts ab Geburt nur mit einer Verfassungsänderung möglich, was eine Zweidrittelmehrheit, sowohl im Bundestag, als auch im Bundesrat auf Basis der gesetzlichen Mitgliederzahl der Gremien erfordern würde. Allerdings gibt es auch einige Juristen, die die Auffassung vertreten, dass diese Vorschrift nicht regelt, wer Inhaber des Wahlrechts ist, sondern nur wer dieses ausüben darf, so dass bereits einfachgesetzlich, und mit einfacher Mehrheit im Bundestag, Wahlrechtsausübungsregelungen erlassen werden können, die die Stellvertreterlösung ermöglichen.

Soweit ersichtlich, wurde von den meisten Juristen, die eine Verfassungsänderung für erforderlich halten, aber folgender Wertungswiderspruch noch nicht berücksichtigt: Mit dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit hat der (volljährige) Bürger automatisch auch das Wahlrecht zum Bundestag erworben. Regelungen, wie man die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben kann, sind vom Bundesgesetzgeber durch einfaches Gesetz zu treffen. Einerseits kann also durch einfaches Gesetz und damit mit einfacher Mehrheit mittelbar das Wahlrecht „verschafft“ werden, indem die Staatsangehörigkeit verliehen wird. Wenn aber andererseits das Wahlrecht für Kinder diesen nur „verliehen“ werden könnte, wenn eine verfassungsändernde Mehrheit dies beschließt, dürfte darin ein Wertungswiderspruch liegen, der im Rahmen einer systematischen Argumentation nach den Regeln der juristischen Methodenlehre beachtlich ist.

Dieser Einwand ist umso gewichtiger, als es sich dabei sogar um Kinder handelt, die bereits die deutsche Staatsangehörigkeit haben. Eine derartige systematische Argumentation stützt die oben genannte Mindermeinung, dass Art. 38 Abs. 2 Satz 1 GG nur eine Wahlrechtsausübungsregelung darstellt, Kinder also von Geburt an aufgrund ihrer Grundrechtsfähigkeit im Sinne des Art. 1 GG auch von Geburt an Wahlrechtsinhaber sind, aber aufgrund der Vorschrift des Art. 38 Abs. 2 Satz 1 GG erst mit 18 Jahren selbständig wählen können. Dies würde den Raum eröffnen, durch Änderung des Bundeswahlgesetzes den Eltern als gesetzlichen Vertretern der Kinder die Wahlrechtsausübung zuzuweisen, ohne dass eine Verfassungsänderung notwendig wäre.

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Wussten Sie, dass durch ein Wahlrecht ab Geburt der Verfassungsgrundsatz der Allgemeinheit der Wahl besser verwirklicht wird, als durch unser derzeitiges Wahlrecht?

Nach dem Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl in Art. 38 Abs. 1 GG darf niemand ohne weiteres von der Wahl ausgeschlossen werden. Danach ist also kaum erklärbar, wieso Kinder kein Wahlrecht haben sollen. Dieser Grundsatz spricht also klar dafür, ein Wahlrecht ab Geburt einzuführen. Es könnte sogar diskutiert werden, inwieweit gerade dieser Wahlrechtsgrundsatz der oben genannten Einschränkung des Wahlalters in Art. 38 Abs. 2 GG bereits selbst entgegensteht. Soweit ersichtlich, wird aber ein entsprechendes Rangverhältnis dieser Verfassungsnormen beziehungsweise die Argumentation über verfassungswidriges Verfassungsrecht von wenigen Juristen bestenfalls diskutiert, aber nicht wirklich vertreten.

Um trotz des genannten Allgemeinheitsgrundsatzes Kinder vom Wahlrecht auszuschließen, berufen sich die Gegner eines Wahlrechts ab Geburt auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach Ausnahmen vom Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl zulässig sind, wenn hierfür sogenannte „zwingende Gründe“ bestehen.

Es ist dabei allerdings nicht nachvollziehbar, dass einerseits alle Wahlrechtsgrundsätze als gleichrangig anerkannt werden und andererseits zwingende Gründe rechtspraktisch wohl nur zur Einschränkung des Wahlrechtsgrundsatzes der Allgemeinheit der Wahl angeführt werden. Man könnte wohl allenfalls argumentieren, dass solche „zwingenden“ Gründe bestenfalls Ermessensgründe des Gesetz- beziehungsweise Verfassungsgebers sind. Sie wären dann freilich nicht zwingend, weil diese für die eine oder für die andere Regelung sprechen könnten und den einen oder anderen Wahlrechtsgrundsatz einschränken würden. Die Ausübung dieses normsetzenden Ermessens in Hinsicht auf die Verwirklichung möglichst aller Wahlrechtsgrundsätze müsste dann eine zwingende Grenze in Art. 79 Abs. 3 GG finden. Die Argumentationsfigur „zwingende Gründe“ wird seltsamerweise rechtspraktisch aber immer nur gegen die Einführung eines Wahlrechts ab Geburt, aber nie auch für die Einführung eines Kinderwahlrechts eingesetzt, um die anderen Wahlrechtsgrundsätze, wie zum Beispiel die Geheimheit der Wahl, die beispielsweise bei einem Stellvertretermodell beeinträchtigt sein könnten, einzuschränken. Daher überzeugt die Argumentationsfigur der „zwingenden Gründe“ insoweit nicht, als diese einseitig verwendet wird.

Der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl in Art. 38 Abs. 1 GG ist und bleibt also eines der gewichtigsten Argumente für unsere Kampagne und für ein Wahlrecht ab Geburt.

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Wussten Sie, dass durch ein Wahlrecht ab Geburt, entgegen der Meinung vieler Juristen, der Verfassungsgrundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl nicht verletzt wird?

Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts schließt der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl jedes Wahlverfahren aus, bei dem zwischen Wähler und Wahlbewerber nach der Wahlhandlung eine Instanz eingeschaltet ist, die nach ihrem Ermessen den Gewählten auswählt. Durch die Einführung unseres Stellvertretermodells wird dieser Wahlrechtsgrundsatz gar nicht eingeschränkt, da der Minderjährige zwar nicht selbst, sondern durch seine Eltern wählt, aber die von den Eltern abgegebene Stimme bestimmten oder bestimmbaren Wahlbewerbern direkt zugerechnet werden kann, ohne dass noch eine Zwischeninstanz nach eigenem Ermessen die Abgeordneten endgültig auswählt. Die Wahl funktioniert also weiterhin unmittelbar.

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Wussten Sie, dass durch ein Wahlrecht ab Geburt, entgegen der Meinung vieler Juristen, der Verfassungsgrundsatz der Freiheit der Wahl sogar besser verwirklicht werden kann?

Der Grundsatz der freien Wahl wendet sich gegen jede Beeinflussung des Wählers von staatlicher Seite. Der Wahlausübungsberechtigte soll die Entscheidung treffen, die er aus innerster Überzeugung für richtig hält. Im von uns geforderten Stellvertretermodell müssen die Eltern, sofern sie eine Stimme als Vertreter ihrer Kinder abgeben, die Interessen der Kinder vertreten. Daher wird zum Teil behauptet, dies verstoße gegen das Grundgesetz, da die Eltern damit nicht frei seien in der Wahlentscheidung.

Diese Problematik, dass Wahlberechtigte bei Abgabe der Stimme auch die Interessen anderer mitbedenken müssen und nicht nur an sich denken sollen, besteht aber auch bereits im heutigen Wahlsystem. Unter Juristen ist unstreitig, dass Wahlberechtigte mit ihren Stimmen auch die durch Gesetz vom Wahlrecht ausgeschlossenen Straftäter, Ausländer, geistig Behinderte und eben Kinder demokratisch mitrepräsentieren, also mitbedenken müssen. Bereits heute sind wir nicht völlig frei in unserer Wahlentscheidung. Bereits heute sollten wir nicht nur an uns denken. Dies scheint aber in Vergessenheit geraten zu sein.

Am Wahlrechtsgrundsatz der Freiheit der Wahl spitzt sich daher die Frage zu, wer der geeignetere Vertreter beziehungsweise Treuhänder der Wahlinteressen der Kinder ist, die ja nicht selbst wählen können? Sind dies alle derzeit Wahlberechtigten, wie das nach der derzeit maßgeblichen Rechtslage unterstellt wird, oder sind dies doch besser die Eltern? Wir meinen, die Eltern kümmern sich definitiv besser um die Interessen ihrer Kinder, als dies die Allgemeinheit tut. Daher sollten nur die Eltern das Wahlrecht ihrer Kinder ausüben. Dies ist ein wesentlicher Grund, warum wir das Wahlrecht ab Geburt als Stellvertretermodell fordern.

Gerade Hinweise auf die demographische Entwicklung in Deutschland, die damit verbundenen Probleme in der Sozialversicherung und die Tatsache, dass die entsprechenden Ungerechtigkeiten seit Jahrzehnten nicht abgeschafft werden, lassen vermuten, dass unter anderem die derzeitige Rechtslage zum bundesdeutschen Wahlrecht sogar Ursache für die Benachteiligung von Eltern und Kindern sein könnte.

Es ist also vorzugswürdig, dass statt aller nur die jeweiligen Eltern im Rahmen eines Stellvertretermodells die Interessen ihrer Kinder vertreten, da die Interessen der Kinder durch das bisherige Wahlrecht nachweislich zu kurz kommen. So scheint die Finanzierung, insbesondere der sozialen Probleme aus der Demographie zu Lasten der nachwachsenden Generationen und der Kinderhabenden gerade nur deswegen zu funktionieren, weil diese nachwachsenden Generationen nicht wirklich politisch repräsentiert werden.

Der Grundsatz der Freiheit der Wahl erfordert so gesehen, bereits aus rein formalen Gründen, sogar die Einführung eines Wahlrechts ab Geburt in Form eines Stellvertretermodells. Bereits heute sind nämlich alle Wähler insofern in ihrer Freiheit eingeschränkt, als sie an die nicht aktiv wahlberechtigten Kinder, Ausländer et cetera wie geschildert mitdenken müssen. Künftig wären – pointiert ausgedrückt – nurmehr die Eltern in dieser Weise eingeschränkt und alle anderen müssten kein „schlechtes Gewissen“ haben, wenn sie nur noch an sich und nicht auch an die Kinder der anderen denken. Im Ergebnis wird durch Einführung des Wahlrechts ab Geburt dieser Wahlrechtsgrundsatz der Freiheit der Wahl künftig zahlenmäßig für weniger Wahlberechtigte (nur die wahlberechtigten Eltern von bis zu 18 Jahrgängen) als bisher (rund 60 Jahrgänge aller Wahlberechtigten) eingeschränkt, also besser verwirklicht, als bisher.

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Wussten Sie, dass durch ein Wahlrecht ab Geburt der Verfassungsgrundsatz der Gleichheit der Wahl besser verwirklicht werden kann?

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl soll nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sicherstellen, dass jedermann sein Wahlrecht in formal möglichst gleicher Weise ausüben kann. Jeder Wähler muss danach die gleiche Stimmenzahl (gleicher Zählwert) haben und jede Stimme muss bei Umsetzung der Stimmen für die Zuteilung von Parlamentssitzen gleich berücksichtigt werden (gleicher Erfolgswert).

Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts gehört die Gleichbewertung aller Aktivbürger bei der Ausübung ihrer staatsbürgerlichen Rechte zu den wesentlichen Grundsätzen der freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes. Die Zählwertgleichheit steht damit nicht zur Disposition des verfassungsändernden Gesetzgebers.

Trotz dieser klaren Vorgaben haben Minderjährige nach unserem derzeitigen Wahlrecht keine Stimme. Dies bedeutet, dass der Zählwert der Minderjährigenstimmen derzeit Null ist, und das heißt insbesondere ungleich dem Zählwert der Volljährigenstimme. Gerade dieser Wahlrechtsgrundsatz zeigt die Notwendigkeit der Einführung eines Wahlrechts ab Geburt.

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Wussten Sie, dass durch ein Wahlrecht ab Geburt, bei dem die Eltern als Stellvertreter die Stimmen der Kinder abgeben, definitiv kein verfassungswidriges Pluralwahlrecht entsteht?

Von Kinderwahlrechtsgegnern wird unter Berufung auf den Verfassungsgrundsatz der Gleichheit der Wahl argumentiert, dass bei Einführung eines Stellvertretermodells ein unzulässiges Pluralwahlrecht entstehen würde, da Eltern mehrere Stimmzettel in die Wahlurne werfen würden, nämlich einen für sich und jeweils einen weiteren für ihre Kinder.

Wenn sie sich auf diesen Wahlrechtsgrundsatz berufen, verkennen die Gegner des Kinderwahlrechts aber insbesondere, dass bereits nach dem geltenden Wahlrecht die Kinder von allen anderen übrigen Wahlberechtigten demokratisch mitrepräsentiert werden müssen. Es geht im Ergebnis also nur darum, die Ungerechtigkeit, die derzeit gegenüber den Kindern besteht, abzuwägen mit einem etwa entstehenden künftigen Ungerechtigkeitsproblem gegenüber Kinderlosen. Dieses könnte entstehen, wenn die Eltern statt aller Wähler nunmehr die Interessen der Kinder im Rahmen des Wahlrechts mitvertreten.

Wenn Minderjährige unabhängig vom zugrunde liegenden Wahlrechtsmodell durch „Treuhänder“ vertreten werden müssen, weil sie körperlich oder geistig noch nicht in der Lage sind, selbst ihre Stimme abzugeben, dann sollten lieber die eigenen Eltern deren „Stellvertreter“ sein und es sollten im Interesse der Transparenz auch wirklich Stimmzettel der Minderjährigen abgegeben werden.

Bisher ist überhaupt nicht transparent, dass auch im Interesse der Minderjährigen gewählt werden muss, weil faktisch keine Minderjährigenstimmen, zum Beispiel auf Extrawahlzetteln, abgegeben werden.

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Wussten Sie, dass das Wahlrecht ab Geburt, bei dem die Eltern als gesetzliche Vertreter die Stimmen der Kinder abgeben, ein Stellvertretermodell ist und gerade kein Treuhändermodell?

Es ist deutlich zu machen, dass der Begriff „Treuhänder“ oft synonym für „Vertreter“ gebraucht wird, obwohl er beim echten Stellvertretermodell, wie es hier vertreten wird, nicht verwendet werden sollte. In der deutschen Rechtsordnung wird stets der als Treuhänder bezeichnet, der Inhaber des Rechts ist, auch wenn er die Rechtsposition wirtschaftlich für einen anderen hält. Der Stellvertreter gibt zwar wie der Treuhänder eine eigene Erklärung ab, diese ist aber dem Vertretenen zuzurechnen, da sie dessen Rechtsposition betrifft. Der Vertretene ist also der Inhaber der Rechtsposition, die dadurch betroffen wird, dass der Vertreter eine eigene Erklärung im fremden Namen abgibt.

Streng genommen handeln also alle Wähler nach derzeitigem Wahlrecht als „echte Treuhänder“ für die Minderjährigen mit, da nur die Wähler als Wahlrechtsinhaber eigene Erklärungen abgeben, die allerdings zum Teil faktisch, zum Beispiel wirtschaftlich, die Minderjährigen treffen. Beim originären Elternwahlrecht hätten die Eltern dagegen als Wahlrechtsinhaber mehrere Stimmen und handelten für ihre Kinder ebenfalls als echte Treuhänder. Dies wäre nach der hier vertretenen Auffassung als Pluralwahlrecht tatsächlich verfassungsrechtlich unzulässig. Dies stellt aber auch den entscheidenden Unterschied zum hier vertretenen Stellvertretermodell dar, wonach die Eltern gerade nicht Inhaber des Wahlrechts ihrer Kinder sind, also nicht Treuhänder, sondern „echte Stellvertreter“, da sie zwar eigene Erklärungen abgeben, die aber die Kinder als Rechtsinhaber treffen.

Man sollte so begrifflich also das Stellvertretermodell, wie es hier vertreten wird, von den Treuhändermodellen des derzeitigen Wahlrechts oder des originären Elternwahlrechts unterscheiden. Auch dies zeigt, dass den Wahlrechtsgrundsätzen besser entsprochen wird, wenn kein echter Treuhänder der Minderjährigen handelt, also weder nur die Wähler, wie nach derzeitigem Wahlrecht, noch die Eltern im Sinne eines originären Elternwahlrechts, sondern dass es einzig sinnvoll ist, das hier vertretene Stellvertretermodell einzuführen.

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Wussten Sie, dass durch ein Wahlrecht ab Geburt, entgegen der Meinung vieler Juristen, der Verfassungsgrundsatz der Geheimheit der Wahl nicht stärker als zulässig beeinträchtigt wird?

Das Stellvertretermodell kann nicht konstruiert werden, ohne dass der die Wahl Ausübende Kenntnis vom Inhalt der Stimmabgabe des Wahlrechtsinhabers hat. Die Eltern müssen sogar im Interesse ihrer Kinder erst die inhaltliche Wahlentscheidung zur Abgabe der Minderjährigenstimme ihres Kindes selbst treffen.

Wenn der Grundsatz der Geheimheit der Wahl den Wahlrechtsausübungsberechtigten schützt, also die Eltern, liegt aber gerade kein Verstoß gegen diesen Grundsatz bei Einführung des Stellvertretermodells vor. Die Eltern können ja die Kinderstimme geheim abgeben.

Auch, wenn man nicht zwischen Wahlrechtsinhaber und Wahlrechtsausübungsberechtigten unterscheiden möchte, ist dennoch keine unzulässige Beeinträchtigung dadurch festzustellen, dass die Eltern davon Kenntnis haben (müssen), was ihr Kind mit der Kinderstimme wählt. Denn auch bei der für verfassungsrechtlich zulässig erklärten Briefwahl und der ebenso zulässigen Wahl mit Hilfe einer Vertrauensperson liegt zwar eine Beeinträchtigung vor, aber kein unzulässiger Verstoß gegen diesen Wahlrechtsgrundsatz. Dies wurde durch das Bundesverfassungsgericht bereits festgestellt. Es hat die Verfassungsmäßigkeit der Briefwahl und der Wahl mit Hilfe von Vertrauenspersonen trotz des Zurücktretens dieses Grundsatzes der geheimen Wahl mit dem Ausnahmecharakter dieses Vorgangs gerechtfertigt und insbesondere dadurch begründet, dass mit diesen Konzepten der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl besser verwirklicht werden kann.

Damit wäre bei Einführung des Stellvertretermodells die Beeinträchtigung des Grundsatzes der Geheimheit der Wahl ebenso als gerechtfertigt anzusehen. Das Problem der Offenbarung der Wahlentscheidung ist bei der Briefwahl sogar größer als beim Stellvertretermodell, da eine Kenntnisnahme durch fremde Dritte erfolgt.

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Wussten Sie, dass dem Wahlrecht ab Geburt, bei dem die Eltern als gesetzliche Vertreter die Stimmen der Kinder abgeben, entgegen der Meinung vieler Juristen, der Verfassungsgrundsatz der Höchstpersönlichkeit der Wahl nicht entgegensteht?

Der Grundsatz der Höchstpersönlichkeit der Wahl ist ein Kernproblem in der Diskussion über das Wahlrecht ab Geburt als Stellvertretermodell. Die Gegner eines Stellvertretermodells führen an, dass dieser Grundsatz Verfassungsrang hat und dabei insbesondere bedeutet, dass das Wahlrecht ein vertretungsfeindliches Recht darstellen würde. Normiert ist der Grundsatz der Höchstpersönlichkeit der Wahl nur einfachgesetzlich in § 14 Abs. 4 Bundeswahlgesetz, wobei dort nicht von „höchstpersönlich“, sondern nur von „persönlich“ die Rede ist: „Jeder Wahlberechtigte kann sein Wahlrecht nur einmal und nur persönlich ausüben.“

Da der Wahlrechtsgrundsatz der Höchstpersönlichkeit nicht im Wortlaut des Grundgesetzes enthalten ist, wäre es viel naheliegender, die Rechtsfragen, ob ein solcher Grundsatz überhaupt besteht, ob er Verfassungsrang hat, ob er Teil der sog. Ewigkeitsgarantie des Art 79 Abs. 3 GG ist, also trotz verfassungsändernder Mehrheit gar nicht eingeschränkt oder abgeschafft werden könnte, etc., und wie dies alles zu begründen ist, mit dem argumentum e contrario zu lösen. Als Ergebnis dieser Rechtsfrage wäre damit allerdings erkennbar, dass die Anforderung an eine Höchstpersönlichkeit gerade keinen Verfassungsrang haben kann, weil dieser Wahlrechtsgrundsatz eben nicht in der Verfassung in Art. 38 Abs. 1 GG aufgelistet ist. Es erscheint gerade rechtstechnisch mehr als gewagt, die Einführung des Wahlrechts ab Geburt als Stellvertretermodell an einem Wahlrechtsgrundsatz der Höchstpersönlichkeit scheitern zu lassen, obwohl dieser überhaupt nicht in der Verfassung steht. Die Gegner unserer Initiative sollten also den erforderlichen juristischen Begründungsaufwand leisten müssen und nicht wir.

So müssten insbesondere von den Kinderwahlrechtsgegnern erst Überlegungen und Argumentationen angestellt werden, die den allgemeinen Grundsätzen der juristischen Methodenlehre zur Verfassungsergänzung entsprechen, um diesen ungeschriebenen Wahlrechtsgrundsatz mit Verfassungsrang und gegebenenfalls dann noch darüber hinausgehend sogar im Rang einer Ewigkeitsgarantie zu implementieren. Dazu müsste der Verfassungswortlaut eine Lücke enthalten, was nur feststellbar wäre, wenn ein ungeschriebener übergeordneter Rechtsgedanke nachweisbar wäre, der eine planwidrige Unvollständigkeit des Grundgesetzes aufzeigt. Dies wäre darüber hinaus noch abzugrenzen von einer gewollten gesetzgeberischen Nichtregelung, die dem Plan des Verfassungsgebers entspräche. Bei einer bewussten Lücke des Verfassungsgesetzgebers dürfte gerade keine Wortlautergänzung stattfinden.

Gerade die rechtshistorischen Untersuchungen zeigen, dass die deutsche Verfassung, also das Grundgesetz, maßgeblich durch die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg vorgegeben wurde und dass immerhin in England und Frankreich Stellvertretung für Wahlen anerkannt wird. Selbst wenn dennoch eine planwidrige Unvollständigkeit, mithin eine Lücke im Sinne der juristischen Methodenlehre angenommen würde, die nun durch Rechtsfortbildung zu schließen wäre, wäre zu prüfen, ob diese Lücke de lege lata, also sofort durch das BVerfG oder erst durch eine Gesetzgebung, also de lege ferenda durch den verfassungsändernden Gesetzgeber zu schließen wäre.

Die Gegner eines Stellvertretermodells scheinen, soweit ersichtlich, aber weder die Regelungslücke des Grundgesetzes genau zu definieren, noch die weiteren methodischen Anforderungen einer Lückenergänzung zu diskutieren, noch überhaupt erklären zu können, wie der ungeschriebene Wahlrechtsgrundsatz der Höchstpersönlichkeit in das Grundgesetz methodisch korrekt „hinein zu konstruieren“ ist. Erst recht wird nicht begründet, wie darüber hinaus (wohl letztendlich methodisch über die Ewigkeitsgarantie) sogar der verfassungsändernde Gesetzgeber gehindert sein sollte, das Wahlrecht ab Geburt als Stellvertretermodell einzuführen.

Die Gegner, aber auch die Befürworter des Stellvertretermodells, folgern soweit ersichtlich rechtsirrig bisher, ohne Ausnahme, aus dem verfassungsrechtlichen oder jedenfalls einfachgesetzlichen Wahlrechtsgrundsatz der Höchstpersönlichkeit unmittelbar, dass damit auch ein Vertretungsverbot besteht. Es wird sozusagen von der höchstpersönlichen Wahlberechtigung auf das Erfordernis der höchstpersönlichen Stimmabgabe und damit auf ein Vertretungsverbot geschlossen. Es entsteht der Eindruck, dass Höchstpersönlichkeit synonym für Vertretungsverbot verwendet wird.

Zu beachten ist aber, dass bereits in juristischen Wörterbüchern Definitionen gegeben werden, die zeigen, dass höchstpersönliche Rechte schon dann vorliegen, wenn ein Recht ausschließlich an einen individuellen Berechtigten gebunden ist und wenn das Recht mit dem Tod eines Berechtigten erlischt und von diesem nicht übertragen werden kann. Beispiele werden insbesondere aus dem Zivilrecht, wie zum Beispiel § 1059 BGB, also dem Nießbrauch, gegeben. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass zum Beispiel der Nießbraucher sich bei Ausübung seines höchstpersönlichen Nießbrauchsrechts selbstverständlich vertreten lassen kann und natürlich auch minderjährige Nießbrauchsberechtigte von ihren Eltern als gesetzliche Vertreter vertreten werden können. Dies, obwohl § 1059 BGB regelt, dass der Nießbrauch nicht übertragbar ist, die Ausübung keinem anderen überlassen werden kann, mithin ein höchstpersönliches Recht vorliegt.

Die Rechtsordnung unterscheidet also bereits begrifflich zwischen höchstpersönlichen Rechten und Rechten, bei denen Stellvertretung unzulässig ist, wie zum Beispiel beim Recht zur Testamentserrichtung, für das § 2064 BGB bestimmt: „Der Erblasser kann ein Testament nur persönlich errichten.“

Es ist also keineswegs richtig, aus der Höchstpersönlichkeit des Wahlrechts ohne weiteres ein Vertretungsverbot abzuleiten. Richtig ist, dass das Wahlrecht höchstpersönlich ist, weil es mit dem Tod erlischt und weil es nicht übertragen werden darf. Falsch ist, dass damit zwingend auch ein Verbot gesetzlicher Vertretung der Kinder durch ihre Eltern einhergeht.

Die Gegner des Stellvertretermodells müssten also darlegen und begründen, dass neben dem Wahlrechtsgrundsatz der Höchstpersönlichkeit noch ein weiterer, insgesamt sechster, mithin ein zweiter ungeschriebener Wahlrechtsgrundsatz mit Verfassungsrang existiert, der das behauptete Vertretungsverbot explizit enthält. Dies scheint, soweit ersichtlich, bislang nicht diskutiert, geschweige denn anhand der geforderten Voraussetzungen einer Rechtsfortbildung zur Verfassungsergänzung im Sinne der juristischen Methodenlehre überhaupt geprüft worden zu sein.

Damit steht fest, dass die Einführung eines Wahlrechts ab Geburt als Stellvertretermodell verfassungsrechtlich nicht am Höchstpersönlichkeitsgrundsatz scheitert.

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Wussten Sie, dass dem Wahlrecht ab Geburt, bei dem die Eltern als gesetzliche Vertreter die Stimmen der Kinder abgeben, entgegen der Meinung vieler Juristen, die sogenannte Ewigkeitsgarantie in Art 79 Abs 3 GG nicht entgegensteht?

Art. 79 Abs. 3 GG lautet: „Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Art. 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.“ Zunächst ist festzustellen, dass die Einführung des Wahlrechts ab Geburt durch Änderung von Art. 38 GG nicht gegen den Wortlaut der Ewigkeitsgarantie verstößt, der nur Art. 1 GG und Art. 20 GG, nicht aber Art. 38 GG betrifft. Es handelt sich also um eine inhaltlich dogmatische Fragestellung, inwieweit die demokratische Wahl durch Einführung eines Stellvertretermodells die notwendige legitimierende Kraft verlieren würde.

In der berühmten Maastricht-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Europäischen Integration wird dazu ausgeführt, dass es zum unantastbaren Gehalt des Demokratieprinzips gehört, dass sich die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben und die Ausübung staatlicher Befugnisse auf das Staatsvolk zurückführen lassen müssen und grundsätzlich diesem gegenüber zu verantworten sind. Das Bundesverfassungsgericht wörtlich: „Dieser notwendige Zurechnungszusammenhang lässt sich auf verschiedene Weise, nicht nur in einer bestimmten Form, herstellen. Entscheidend ist, daß ein hinreichend effektiver Gehalt an demokratischer Legitimation, ein bestimmtes Legitimationsniveau erreicht wird.“ Gerade diese Entscheidung weist also explizit darauf hin, dass die staatsorganisatorische Umsetzung der Anforderungen des Demokratie-Prinzips in unterschiedlicher Art und Weise erreicht werden kann. Es sind also mittelbare Zurechnungszusammenhänge zwischen Volk und der durch das Volk legitimierten Staatsgewalt denkbar. So wie die Staatsgewalt bislang durch die wahlrechtslosen Kinder nur mittelbar über alle Wahlberechtigten mitlegitimiert wurde, wird diese nach Einführung des Stellvertretermodells, nurmehr durch deren gesetzliche Vertreter, unmittelbarer legitimiert.

Die Maastricht-Entscheidung des BVerfG stellt fest, dass die Verlagerung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union durch den Maastricht-Vertrag, keinen Verstoß gegen Art. 79 Abs. 3 GG darstellt, obwohl dadurch alle derzeit zum Deutschen Bundestag Wahlberechtigten etwas von ihrem demokratischen Einfluss abgegeben haben, was deren derzeitiges Wahlrecht schwächt. Der politische Einfluss wurde durch den Maastricht-Vertrag dabei sogar auf nicht zum Deutschen Bundestag Wahlberechtigte sonstige EU-Bürger übertragen.

Wenn diese Verlagerung von demokratischem Einfluss keinen Verstoß gegen Art. 79 Abs. 3 GG darstellt, dann kann die Einführung eines Stellvertretermodells erst recht keinen Verstoß gegen diese Ewigkeitsgarantie des Grundgesetzes darstellen, da dadurch politischer Einfluss, wenn überhaupt, dann nur weg von allen bisher Wahlberechtigten volljährigen Staatsbürgern, hin zu den bislang nichtwahlberechtigten Kindern ebenfalls mit deutscher Staatsbürgerschaft, erfolgt. Selbst, wenn man rhetorisch behauptet, dass durch Einführung des Stellvertretermodells der Zurechnungszusammenhang im Sinne des Demokratie-Prinzips, weg von kinderlosen erwachsenen Staatsbürgern, hin zu kinderhabenden erwachsenen Staatsbürgern, erfolgen würde, kann dies nur einen weniger gravierenden Eingriff in die Grundrechte der kinderlosen Wahlberechtigten gem. Art. 38 GG darstellen, als die vom Bundesverfassungsgericht in der Maastricht-Entscheidung für zulässig erachteten Eingriffe in eben diese Grundrechte durch Übertragung von Befugnissen auf die Europäische Union, mithin auf dem „Volk“ im Sinne des Art. 20 GG „völlig fremde“ Personen.

Wenn unter Zugrundelegung der Wertung der Maastricht-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein durch das Stellvertretermodell „benachteiligter kinderloser Wahlberechtigter“ schon keine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 38 GG geltend machen kann, kann erst recht kein Verstoß gegen die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG vorliegen.

Auch zeigt sich, dass nach Einführung des Stellvertretermodells der Allgemeinheitsgrundsatz deutlich besser verwirklicht würde und sowohl der Unmittelbarkeitsgrundsatz, als auch der Höchstpersönlichkeitsgrundsatz, gar nicht betroffen wären. Der Freiheitsgrundsatz und der Gleichheitsgrundsatz würden zwar beschränkt werden, aber sogar weniger stark als diese Grundsätze nach derzeitiger Rechtslage bereits beschränkt sind. Auch der Geheimheitsgrundsatz würde zwar beschränkt werden, aber jedenfalls nicht stärker, als dieser Grundsatz nach derzeitiger Rechtslage durch Zulassung von Vertrauenspersonen und Briefwahl ohnehin bereits beschränkt ist. Ein Vertretungsverbot als verfassungsrechtlicher Wahlrechtsgrundsatz konnte des Weiteren in der Literatur nicht nachgewiesen werden. Ein Verstoß gegen die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG ist daher mit der Einführung eines Stellvertretermodells auch aus diesen Gründen nicht zu befürchten.

Dieses Ergebnis kann nicht überraschen. Es sollte erstens einigermaßen seltsam erscheinen, dass sich die Gegner des Stellvertretermodells vor allem auf einen Wahlrechtsgrundsatz berufen, nämlich den der Höchstpersönlichkeit, der nicht in der Verfassung normiert ist, obwohl man sogar den verfassungsändernden Gesetzgeber damit zu binden können glaubt, so dass dieser ein Stellvertretermodell nicht einführen könnte. Zweitens, müssten die Gegner des Stellvertretermodells erst einmal ganz grundsätzlich darlegen, warum es überhaupt einer Regelung wie Art. 38 Abs. 2 GG bedarf, die noch nicht einmal vom verfassungsändernden Gesetzgeber abgeschafft werden könnte, um Kinder vom Wahlrecht auszuschließen, wenn es doch so klar und offensichtlich sein soll, dass Kinder kein Wahlrecht haben können, dass diese Rechtsauffassung sogar Teil der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG sein würde. Wenn die Ewigkeitsgarantie des Grundgesetzes tatsächlich beinhalten würde, dass Kindern kein Wahlrecht zukommen dürfte, dann ist doch Art. 38 Abs. 2 GG offensichtlich überflüssig.

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Wussten Sie, dass ein Wahlrecht ab Geburt nicht nur zum Bundestag, sondern auch zu den Landtagen und zum Europaparlament möglich sein sollte?

Es kann gezeigt werden, dass die Einführung des Stellvertretermodells nicht nur Wahlrechtsgrundsätzen sogar zur besseren Verwirklichung verhilft, sondern dass darüber hinaus andere Verfassungsnormen, die ebenfalls als Argumente für die Einführung eines Kinderwahlrechts herangezogen werden können, gegeben sind. Die Verfassung kann durch Schaffung eines Kinderwahlrechts nämlich insgesamt zu größerer Einheit gebracht werden. Insoweit wird auf Art. 1 Abs. 1 und Abs. 3, Art. 3, Art. 6 Abs. 1 und Abs. 4, Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1, sowie auf Art. 20a GG und Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 GG verwiesen.

Die Ausführungen zum Wahlrecht zum Deutschen Bundestag sind entsprechend, auch zum Beispiel der Wahl zum Bayerischen Landtag, zugrunde zu legen. Die Rechtslage und die möglichen Argumente sind vollständig vergleichbar. Diese Vergleichbarkeit wird nämlich gerade normativ angeordnet. Im Grundgesetz ist geregelt, dass die Wahlrechtsgrundsätze des Art. 38 Abs. 1 GG auch durch das jeweilige Landesrecht für die Wahlen in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland entsprechend zur Geltung zu bringen sind. Dies ergibt sich aus Art. 28 Abs. 1 GG. Dabei wird wiederum deutlich, dass ein Wahlrechtsgrundsatz der Höchstpersönlichkeit oder gar eines Stellvertretungsverbots im Text des Art. 28 GG ebenso wenig enthalten ist, wie im Text des Art. 38 GG oder in der bayerischen Rechtsordnung. Dies ist ein weiteres systematisches Auslegungsargument für das bereits oben dargestellte Ergebnis, dass die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland keine solchen Wahlrechtsgrundsätze kennt, die die Einführung eines Stellvertretermodells verbieten würde. Jedenfalls wurden in der Literatur argumentativ entsprechend der juristischen Methodenlehre keine solchen Wahlrechtsgrundsätze nach den Regeln der Kunst eingeführt.

Übrigens gilt alles hier Gesagte auch entsprechend für das Wahlrecht zum Europaparlament. Regelungen insoweit finden sich in § 1 EuWG, wobei auch eine Altersgrenze in § 6 EuWG normiert wird. Schließlich ist auf Art. 39 der Charta der Grundrechte und auf Art. 22 Abs. 2 AEUV hinzuweisen. Entscheidend ist, dass jeder Unionsbürger in dem Mitgliedsstaat, in dem er seinen Wohnsitz hat, das aktive und passive Wahlrecht bei Wahlen zum Europäischen Parlament unter denselben Bedingungen besitzt, wie die Angehörigen des betreffenden Mitgliedsstaats. Die Mitglieder des Europäischen Parlaments werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier und geheimer Wahl gewählt.

Das kodifizierte Europarecht zeigt ebenso, dass etwaige, einem Stellvertretermodell entgegenstehende europäische Wahlrechtsgrundsätze der Höchstpersönlichkeit und des Stellvertretungsverbots nicht anzuerkennen sind, da diese im Wortlaut der maßgeblichen Vorschriften nicht erwähnt werden. So stützt auch das Europarecht selbst die Argumentation zum Bundesrecht und zum Landesverfassungsrecht, so dass aus einer systematischen Zusammenschau von Europarecht, Bundesrecht und Landesrecht erkennbar wird, dass ungeschriebene Wahlrechtsgrundsätze der Höchstpersönlichkeit oder eines Vertretungsverbots nicht nachweisbar sind. Solche Argumente sind jedenfalls als Gegenargumente gegen die Einführung eines Wahlrechts ab Geburt in Form eines Vertretermodells nicht zu akzeptieren. Vielmehr dürften die Ausführungen zum Bundesrecht und zum Landesrecht ebenso auf die Wahlrechtsgrundsätze des Europarechts anzuwenden sein, so dass sich im Ergebnis zeigt, dass eine bessere Verwirklichung der Wahlrechtsgrundsätze gerade durch Einführung eines Wahlrechts ab Geburt als Stellvertretermodell erreicht werden kann.

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Wussten Sie, dass es im Kirchenrecht bereits ein Wahlrecht ab Geburt gibt?

In der Erzdiözese Wien besteht bereits seit 1970 ein Kinderstimmrecht für Wahlen zum Pfarrgemeinderat als Stellvertretermodell mit eigenem Stimmzettel für die Kinderstimme. Im Bistum Fulda gibt es seit 1995 ein Wahlrecht ab Geburt für Wahlen zum Pfarrgemeinderat als Stellvertretermodell, wobei ein separater Umschlag für die Kinderstimmen verwendet wird. Im Bistum Aachen wurde 1997 ein Kinderwahlrecht für Wahlen zum Pfarrgemeinderat in sechs Gemeinden eingeführt. Seit 2001 wurde dort die Option für jede Gemeinde eröffnet, selbst zu entscheiden, ob ein Kinderwahlrecht eingeführt werden soll, was dann über eine Ausnahmegenehmigung des Bischofs zugelassen wird. Zum Stichtag 2005 haben 96 von 550 Pfarrgemeinden für das Kinderwahlrecht optiert. Praktisch wird zur Umsetzung je eine halbe Stimme für Vater und Mutter (Stellvertretermodell) mit andersfarbigen Kinderstimmzetteln verwendet.

Im Bistum Osnabrück kann seit 2004 jede Pfarrgemeinde auf Antrag für ein Wahlrecht von der Taufe an optieren, wobei für Kinder die Stimme nur durch katholische Eltern oder Taufpaten auf gesonderten andersfarbigen Stimmzetteln abgegeben werden können. Bis zum Jahr 2006 haben 117 Pfarrgemeinden, das heißt 50,21 Prozent, für das Kinderwahlrecht optiert.

(Vergleiche zum Ganzen zum Beispiel: Isabel Rupprecht, Das Wahlrecht für Kinder, Diss. Nomos 2012; S. 45 ff.)

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Wissen Sie, wo Sie Überlegungen zum Wahlrecht ab Geburt mit zahlreichen weiterführenden Hinweisen und wissenschaftlichen Belegen auch noch genauer nachlesen können?

Axel Adrian: „Grundsatzfragen zu Staat und Gesellschaft am Beispiel des Kinder-/Stellvertreterwahlrechts. Eine rechtliche Untersuchung mit Bezügen zu Demographie,Demoskopie, Psychologie und Philosophie.“

Duncker & Humblot, Berlin. Schriften zum Öffentlichen Recht, Band 1313, zahlr. Tab. und farbige Abb., 560 Seiten, 2016

Print: <978-3-428-14838-7> € 99,90
E-Book: <978-3-428-54838-5> € 89,90
Print & E-Book: <978-3-428-84838-6> € 119,90

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Dr. Axel Adrian ist Jurist in Nürnberg.