Kinder sind unsere Zukunft. Aber auch bei der kommenden Bundestagswahl werden ihre Stimmen an der Wahlurne nichts zählen. Denn ausgerechnet Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, die für die heute gefällten Entscheidungen künftig gerade stehen müssen, sind vom Wahlrecht und damit von echter politischer Partizipation ausgeschlossen.

Das hat gravierende Folgen für die Zukunftsfähigkeit und Familienorientierung der Politik. In einer repräsentativen Demokratie wird Politik vor allem mit Blick auf Wählerstimmen und Wahlergebnisse gemacht. Ohne Kinderstimmen fallen die Bedürfnisse von Kindern und ihren Eltern deshalb immer wieder vorprogrammiert unter den Tisch. Traurig und beispielhaft zeigt sich das bei der völlig von der Preisentwicklung abgehängten Höhe des Kindergeldes. Es zeigt sich am Zustand der Schulen und bei der fehlenden Anerkennung von Kindererziehung in den sozialen Sicherungssystemen. Und es zeigt sich am Wohnungsmarkt, in dem immer mehr Familien in beengte Wohnungen und buchstäblich an den Rand gedrängt werden.

Durch den demografischen Wandel wird sich dieses Problem in den kommenden Jahren weiter verschärfen: Schon heute ist mehr als ein Drittel der Wahlberechtigten über 60 Jahre. Ab 2040 werden Menschen ab 60 schon ca. 45 Prozent der Wahlberechtigten stellen. Vielen dieser Menschen werden die Interessen der nächsten Generation und die Bedürfnisse ihrer Kinder und Enkel am Herzen liegen. Aber politisch wird diese Entwicklung dazu führen, dass sich das Handeln immer stärker am Alter und immer weniger an der Jugend ausrichtet. Entscheidungen, die für die Zukunft überlebenswichtig sind, aber Gefahr laufen, an der Wahlurne abgestraft zu werden, wird da kein Politiker mehr treffen.

Noch gravierender für unsere repräsentative Demokratie ist die riesige Legitimationskluft, die durch das altersbeschränkte Wahlrecht aufgerissen wird. Denn laut Artikel 20 Absatz 2 des Grundgesetzes geht alle Staatsgewalt vom Volke aus – nicht nur vom volljährigen Volk. Aber die Beschränkung des Wahlrechts auf Erwachsene beraubt 13 Millionen Bundesbürger und damit fast ein Fünftel des Staatsvolkes ihres wichtigsten politischen Grundrechts.

Grundrechte gelten von Geburt an und nicht erst ab der Volljährigkeit. Deshalb fordert der DFV, mit einem Wahlrecht von Geburt an endlich das Demokratieprinzip zu verwirklichen und eine wirklich allgemeine Wahl zu ermöglichen. Praktisch wird das Wahlrecht von Geburt an zunächst treuhänderisch und zum Wohle des Kindes von den Eltern wahrgenommen, bis die Kinder alt genug sind, ihre Stimme selbst abzugeben.

Das Wahlrecht von Geburt an ist kein Mehrstimmenwahlrecht für Eltern, das mit unserer Verfassung wohl auch nicht zu vereinbaren wäre. Die Stimmen gehören den Kindern. Sobald sie alt genug sind, sich selbst ins Wählerverzeichnis einzutragen, erlischt das treuhänderische Wahlrecht. Die Treuhänderschaft der Eltern für ihre Kinder ist durch Artikel 6 unserer Verfassung legitimiert. In unserer gesamten Rechtsordnung ist es selbstverständlich, dass die Eltern bei wichtigen Lebensentscheidungen für ihr minderjähriges Kind und zu seinem Wohle handeln – zum Beispiel bei der Schulwahl, bei Krankheit und bei der Religionswahl. Ohne diese Treuhänderschaft wäre das Wahlrecht von Geburt an nur ein Torso: Denn dann gingen weiterhin mindestens 10 bis 12 Jahrgänge an der Wahlurne leer aus. Auch das oft diskutierte Wahlrecht ab 16 Jahren ist deshalb nur ein allererster Schritt – denn es lässt eben 16 Jahrgänge bei den Wahlen außen vor.

Um das Wahlrecht von Geburt an einzuführen, muss mit einer Zweidrittelmehrheit von Bundestag und Bundesrat Artikel 38 Absatz 2 Grundgesetz geändert werden. Hier ist bislang festgelegt, dass das Wahlrecht erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres gilt. Auch auf Druck des DFV hin gab es im Bundestag für diese Änderung bereits zwei große fraktionsübergreifende Initiativen. Aber eine solche Reform braucht Zeit und einen langen Atem. Das belegt auch die Entwicklung des Wahlrechts von einem exklusiven Recht für wenige mächtige und begüterte Männer hin zum heutigen allgemeinen Wahlrecht – außer für Kinder.

Es ist höchste Zeit für einen neuen Vorstoß. Unter Schirmherrschaft der ehemaligen Bundesfamilienministerin Renate Schmidt setzen wir uns im Jahr der Bundestagswahl für das Wahlrecht von Geburt an ein, damit es nicht noch einmal eine Wahl ohne Kinderstimmen gibt. An unserer Seite stehen ausgewiesene Rechtsexperten und -expertinnen wie Justizsenatorin a.D. Lore Maria Peschel-Gutzeit sowie zahlreiche Bundestags- und Landtagsabgeordnete. Gemeinsam treten wir für ein modernes Wahlrechtsmodell ein, das Mut macht und auch kritischen Fragen standhält.

Unterstützen Sie unsere breite und überparteiliche Kampagne zum Familienwahlrecht in Form eines Wahlrechts ab Geburt und kämpfen Sie mit uns dafür, dass die Zukunft endlich eine Stimme bekommt.

Denn nur wer wählt, zählt!

 

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Sebastian Heimann ist Politikwissenschaftler und seit 2016 Bundesgeschäftsführer des Deutschen Familienverbandes e.V. (DFV).

Der Deutsche Familienverband ist die Interessensvertretung von Familien in der Bundesrepublik und engagiert sich seit über 90 Jahren für das Wohl von Kindern und ihren Eltern auf lokaler, Landes- und Bundesebene.